logo zwanzigquadratmeter, Projektraum, Berlin


Stefanie Schwarzwimmer
The Creator
March 10th - April 15th 2023
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zqm Stefanie Schwarzwimmer The Creator Exhibition View

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"Morning guys" raunt eine männlich anmutende Stimme gähnend aus dem Off während die Kamera durch den Raum in Richtung eines hölzernen Treppenabsatzes schwenkt. Der Blick wandert von einer Yogamatte über einen Blumentopf, der akkurat mit Bogenhanf bepflanzt wurde, weiter zu Hanteln bis er bei einem gerahmten Typo-Print mit der Aufschrift "All the world's a stage" kurz innehält. Dabei leitet die Stimme ein, dass sie nun ihre tägliche "Morning routine" beschreiben wird. Für Content Creator und Influencer auf Social Media ist es gängige Praxis, dem Publikum ihre oftmals stark ähnelnden, präzise ausgearbeiteten Tagesroutinen ausschweifend zu präsentieren. Sie beinhalten meist ein sehr frühes Aufstehen, einen austarierten Ernährungs- und Sportplan, ein Präsentieren der neu erworbenen Kleider ("haul"), sowie Tipps, wie eine Selbst- als auch Produktionsoptimierung am besten umgesetzt werden kann. Visuell werden die Einlagen mit makellos inszenierten Bildern der Person und ihrer sehr sauberen, "Feng Shui"- gerecht eingerichteten Wohnung unterlegt.
Stefanie Schwarzwimmer baut in ihrer 3D-animierten Videoarbeit "Going Places 2020" eine solche Situation aus der "first person perspective" nach, also mit dem Unterschied, dass die Person selbst nicht zu identifizieren ist. Während die Stimme des "Creators" über absurde Handlungsanweisungen und eigene Vorlieben schwadroniert, läuft die Kamera langsam eine Treppe herunter, die sich mitsamt ihres Umgebungsraumes im Laufe des Videos immer wieder verändert. Von einer häuslichen Szenerie geht es durch einen Klinker-Bareingang mit der Neon-Reklame "Open 24 hrs" weiter eine luxuriöse Marmor-Treppe hinab. Scheinbar endlos verwandelt sich die Treppe, verläuft in eine Metalltreppe eines Schiffsmaschinenraums, dann nach einer kalt ausgeleuchteten Parkhaustreppe in einen U-Bahn-Eingang, dessen Rolltreppe final wieder vor dem Bogenhanf-Blumentopf mündet. Nahtlos geht das Ende in den Anfang über. Der Sprecher beginnt erneut mit seiner Morgenroutine, steigt wieder dieselben Treppen hinunter. Herausgezoomt erarbeitet Schwarzwimmer eine Penrose-Treppe à la M.C. Escher, die in sich selbst zurückläuft. Es entsteht eine Dauerschleife, die eine Über-einander-lagerung von Zeit und Raum provoziert, in der eine vermeintlich existierende Person immerwährend dieselbe Bewegung vollzieht. Dies lässt an das kubistisch, futuristische Werk "Akt, eine Treppe herabsteigend Nr. 2" (1912) von Marcel Duchamp denken. Eine menschliche Gestalt faltet sich in ihrer Abwärtsbewegung auseinander und verwandelt sich damit zu reiner, unendlicher Bewegung.
Im zqm Berlin wird das Video auf eine 190cm hohe, schräg in eine Ecke des abgedunkelten Raumes gelehnte, Leinwand projiziert. Die Besucher*innen können es so im Stehen betrachten und fallen regelrecht in die Position des Sprechers. Wer mehrere Runden von Schwarzwimmers Treppenläufen mitgeht, wird vielleicht den Eindruck minimaler Veränderung haben, der möglicherweise in Irritation umschwingt. In der Unpersönlichkeit des Gesagten und des Gezeigten drängt sich das Austauschbare auf, bildet sich ein Sog, der nach einer Person, einem Leben fordert. Der Loop erweitert sich noch im Verlassen des Projektraumes, indem die Treppen vom 1. Stock des Friedrichshainer Altbaus nach unten gegangen werden müssen. Die Animation wird zur Realität. Die Besucher*innen zu Creators. Sie gehen die Treppe hinab, auf die Bühne, als bloße Spieler. Sie sind content.

Text von Miriam Jesske







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